„Kann ein Schauspieler ein Theaterstück ganz alleine spielen? Und wird das dann nicht langweilig?“ Das fragte eine Schülerin der 9. Klasse, kurz bevor in der Mensa der HAG die Vorstellung des Stückes „Das Boot ist voll“ begann.
Als das Stück dann begann, war aber Langeweile kein Thema mehr, denn der Schauspieler Willi Schlüter bewies eindrucksvoll, dass man auch allein eine anspruchsvolle Handlung spannend „rüberbringen“ kann. Er war auf Initiative des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gewalt überwinden – Vielfalt FAIRbindet“ zu Gast an der HAG.
Schulleiterin Kerstin Haferkemper und der Sprecher des Kirchenkreises Hans-Albert Limbrock begrüßten zunächst die zahlreichen Schülerinnen und Schüler in der prall gefüllten Mensa, dann begann das Stück: Eine Eisdiele, vier Tische, vier Stühle, ein Papierkorb und eine Wand, die als Projektionsfläche dient. Willi Schlüter vom Hannoveraner Theater in der List erzählt in seiner Rolle als Vito Fiorino, dem Besitzer der Eisdiele, eine wahre Geschichte, die von Autor Antonio Umberto Riccò zu einem Monolog verarbeitet, worden ist: Am 3. Oktober 2013 ertrinken vor der italienischen Insel Lampedusa 368 Flüchtlinge aus Afrika im Mittelmeer, als ihr Boot kenterte. Zwei Schiffe, die das Flüchtlingsboot entdecken, drehen ab und überlassen die Schiffbrüchigen ihrem Schicksal. Auch Vito Fiorino und einige Freunde sind mit ihrem Boot vor Ort, doch sie versuchen, so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Es gelingt ihnen, 47 Menschen das Leben zu retten, aber sie müssen auch mitansehen, wie die übrigen Ertrinkenden um ihr Leben kämpften und sterben.
Diese Katastrophe beschäftigt Vito und seine Freunde auch Jahre später – Schlüters Spiel macht den Jugendlichen die Gefühle zwischen Ohnmacht, Trauer und Zorn spürbar. Dieser Eindruck wird noch durch Projektionen an die Wand der Eisdiele verstärkt, die die Ereignisse veranschaulichen und den beteiligten Menschen ein Gesicht geben. So wird aus dem abstrakten Thema Flüchtlingspolitik auch eine ganz konkrete Auseinandersetzung mit der Frage nach unseren Werten. Wie hätten wir uns verhalten?
Nach der Vorstellung bestand für die jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauer die Gelegenheit zum Gespräch mit Willi Schlüter. Er erklärte, dass alles, was im Stück gezeigt wurde, so tatsächlich geschehen sei, und erzählte von seiner Begegnung mit dem echten Vito Viorino. Und er berichtet, dass die Ereignisse vom 3. Oktober 2013 von der italienischen Justiz immer noch nicht aufgearbeitet worden seien. Ob dies noch geschehen werde? Schlüter zitiert ein italienisches Sprichwort: „Man wiegt das Kind so lange, bis es schläft.“
Nach kurzem betretenen Schweigen applaudieren die jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauer begeistert für die beeindruckende Vorstellung, an die sie sich wohl alle noch lange erinnern werden. (NeC)